Energiedrehscheibe Nord

Strom, Wärme und Bio-Methan aus lokaler Kreislaufwirtschaft

Wie die Energiewende im Landkreis Böblingen gelingen soll

Im Landkreis Böblingen entwickelt sich auf dem Feld der Energieversorgung eine zunehmende Dynamik weg von fossilen Energieträgern hin zu erneuerbaren Energien. Diese Entwicklung zur Treibhausgasreduzierung ist sowohl im Interesse des Klimas und der Umwelt als auch zum Vorteil der Verbraucher von Wärme und Strom.

Über die aktuellen Pläne des Landkreises Böblingen und der Stadtwerke Sindelfingen, die in verschiedenen Bereichen kooperieren, berichteten am Montag (22.1.) Landrat Roland Bernhard und Oberbürgermeister Dr. Bernd Vöhringer gemeinsam mit Stadtwerke-Geschäftsführer Dr. Karl Peter Hoffmann, dem 1. Werkleiter des Abfallwirtschaftsbetriebs Martin Wuttke, dem Geschäftsführer der Bioabfallverwertung GmbH Leonberg Wolfgang Bagin und dem Geschäftsführer der Naturstrom Landkreis Böblingen GmbH Wolfgang Hörmann auf der ehemaligen Kreismülldeponie Dachsklinge im Sindelfinger Wald.

Vergärungsanlage

Der Ausgangspunkt für die enge Kooperation des Landkreises mit den Stadtwerken in Sindelfingen liegt auf einer anderen ehemaligen Deponie in Leonberg. Dort errichten die Landkreise Böblingen und Esslingen über die gemeinsam getragene Bioabfallverwertung GmbH Leonberg die größte Vergärungsanlage in Baden-Württemberg. Der Biomüll aus den beiden Landkreisen wird in Leonberg behandelt und daraus Rohbiogas gewonnen. Die Anlage mit einer Gesamtkapazität von 72.000 Tonnen, davon 60.000 Tonnen Bioabfälle und 12.000 Tonnen Grünabfälle, soll im Herbst 2024 fertiggestellt werden. Jährlich werden ca. 8,1 Mio. Nm³ (=Normkubikmeter) Rohbiogas mit einem Energiegehalt von rund 46.200 MWh erzeugt. Etwa 22 % des Rohbiogases (ca. 1,8 Mio. Nm³) werden für die Deckung des Strom- und Wärmebedarfs am Anlagenstandort mittels eines Blockheizkraftwerks direkt verwendet.

Methanisierung

Der überwiegende Teil des gereinigten Biogases wird dann über eine neue Leitung zur ehemaligen Kreismülldeponie Dachsklinge in Sindelfingen geführt. Hier errichtet die Bioabfallverwertung GmbH Leonberg (BVL) eine Anlage zur Weiterverarbeitung auf einer Fläche des bestehenden Häckselplatzes. Die Methanisierungsanlage mit allen Nebeneinrichtungen wird an die Biomethanverwertung GmbH Sindelfingen – einer gemeinsamen Gesellschaft der BVL und der Stadtwerke Sindelfingen – verpachtet und betrieben. Das Rohgas wird in Bio-Methan verwandelt und das dabei entstehende CO2 abgeschieden und verflüssigt. Das flüssige CO2 in einer Größenordnung von rund 5.000 Tonnen pro Jahr wird an gewerbliche Nutzer für industrielle Zwecke verkauft. Das hochwertige Bio-Methan nutzen die Stadtwerke zur Erzeugung von Fernwärme und ersetzen damit fossiles Erdgas.

Die mit der Methanisierung verbundene CO2-Abtrennung und -verflüssigung macht den Standort Dachsklinge zu einer echten CO2-Senke, d.h. im Prozess wird mehr Kohlenstoff herausgefiltert als in die Atmosphäre ausgestoßen; ein lokaler Beitrag gegen die globale Klimaerwärmung.

Insgesamt stehen für die Methanisierungsanlage jährlich ca. 6,3 Mio. Nm³ Rohbiogas zur Verfügung. Hieraus können 36.000 MWh Biomethan erzeugt werden.
Dieses interkommunale Projekt der beiden Landkreise zusammen mit Stadtwerken leistet einen bedeutenden Beitrag für den Klimaschutz, indem jährlich ca. 12.300 Tonnen Treibhausgase eingespart werden.

Die gesamten Kosten für die Vergärungsanlage und die Methanisierungsanlage einschließlich eines neuen Betriebsgebäudes belaufen sich voraussichtlich auf rund 47 Mio. Euro.

Photovoltaik

Der Energiebedarf der Methanisierungsanlage wird nachhaltig gedeckt. Die bestehende Freiflächen-Photovoltaikanlage auf dem Südhang der Deponie wird derzeit um einen dritten Abschnitt erweitert. Die gesamte Freiflächenanlage ist ebenfalls ein gemeinsames Projekt der Stadtwerke mit dem Landkreis Böblingen. Jeweils eine PV-Anlage der kreiseigenen Naturstrom GmbH sowie der Stadtwerke Sindelfingen haben zusammen eine Leistung von 1,5 MWp. Die dritte gemeinsame Anlage wird eine Leistung von rund 1,35 MWp haben. Zusammen handelt es sich damit um die größte Freiflächen-PV-Anlage im Landkreis Böblingen. Mit ihr werden jährlich knapp 2,7 Millionen kWh Strom aus Sonnenenergie ins Netz eingespeist, damit können rund 1.000 Zwei-Personenhaushalte versorgt werden. Dies bedeutet eine Einsparung von rund 1.200 Tonnen CO2 pro Jahr. 

„Deutschland hat erkannt, wie sehr es von ausländischem Gas abhängig ist. Wir müssen uns um die eigene Energiesicherheit selber kümmern. Dazu haben wir auf kommunaler Ebene viele Gestaltungsmöglichkeiten. Lokale, regenerative Energiegewinnung bedeutet mehr Sicherheit und mehr Klimaschutz. Mit unseren Projekten werden die Chancen für innovative Technologien bei der Bioabfallvergärung und insbesondere bei der Verwertung des Biogases durch Methanisierung und CO2-Verflüssigung optimal genutzt“, betont Landrat Roland Bernhard und freut sich besonders über die interkommunale Kooperation mit dem Landkreis Esslingen und den Stadtwerken Sindelfingen.

„Wir freuen uns, dass wir hier gemeinsam mit unseren Partnern einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz, zur Erhöhung der Versorgungssicherheit und zu Standortsicherung in unserer Stadt leisten können“, sagt Stadtwerke Geschäftsführer Dr. Karl Peter Hoffmann.

Biomasseheizwerk (BMHW)

Ebenfalls bei der Deponie errichten die Stadtwerke Sindelfingen in Eigenregie ein Biomasseheizwerk.

Für die Energiequelle sollen möglichst emissionsarme Energieträger verwendet werden. Herzstück des Heizwerkes sollen zwei Biomassekessel sein, optional kann die Heizzentrale mit Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen erweitert werden.

Der Betrieb des BMHWs würde aufgrund des Wärmebedarfs fast ausschließlich in der Heizperiode (Oktober bis April) erfolgen. Die Gesamtleistung des Heizwerks könnte bis zu ca. 20 MWth betragen. Im Fall einer Erweiterung durch Kraft-Wärme-Kopplung könnten zusätzliche Mengen an Wärme und Strom mit BHKWs erzeugt werden.

Im Wärmespeicher wird die im Kraftwerk erzeugte, aber nicht sofort benötigte, thermische Energie gespeichert und bei Bedarf in das Fernwärmenetz eingespeist. So könnte auch z.B. Wärme aus den anderen umweltfreundlichen Kraftwerken, wie z.B. das Restmüllheizkraftwerk oder dem Biomasseheizkraftwerk des Landkreis Böblingen, zwischengespeichert werden.

Insgesamt können bis zu 80.000 MWh pro Jahr erzeugt und ins Fernwärmenetz der Stadtwerke Sindelfingen eingespeist werden. Die Menge reicht aus, um ca. 5.500 Haushalte zu versorgen.

Vorteile der Errichtung eines Heizwerks auf der Dachsklinge:
•    Erhöhung der Versorgungssicherheit bei Erhalt der Bezahlbarkeit in Sindelfingen
•    Erhöhung des Erneuerbaren Energieanteils von aktuell 35% auf bis zu 66%
•    Reduzierung der CO2-Emission gegenüber einer konventionellen Erzeugung
•    Reduzierung der Wärme aus Erdgasanlagen von aktuell 35% auf bis zu 11%
•    Umweltfreundliche Wärmeerzeugung ohne Lärmbelastung der Bürger
•    Erhöhung der Nutzung von umweltfreundlicher Wärme aus dem Restmüllheizkraftwerk
•    Nutzung von Power-to-Heat Lösungen bei günstigen Strompreisen (z.B. negative Börsenpreise)
•    Verwertung des vorhandenen Hackguts auf dem Häckselplatz. Dadurch Einsparung von Abtransport 
 

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